Braunschweig. „Schwarze und weiße Menschen können Dinge unterschiedlich gut.“ Stimmt das? Die Arbeitsgruppe diskutiert: „Den Marathon gewinnen immer Afrikaner, also können sie besser laufen!“ – „Mein Nachbar ist auch dunkelhäutig, der wiegt allerdings 150 Kilo, der keucht schon beim Treppensteigen und gewinnt bestimmt keinen Marathon.“ Also alles Quatsch. Natürlich steht die Farbe der Haut in keinerlei Zusammenhang mit irgendwelchen Talenten. Aber allzu schnell öffnen sich Schubladen bei solchen Äußerungen, und schon ist das Vorurteil gedacht oder sogar ausgesprochen.

Solche Schubladen helfen im Alltag ja auch bisweilen, sagt Kristin Harney vom Zentrum für Demokratische Bildung Wolfsburg: „In der Schublade ,große Straße‘ liegt als Information: Dort fahren viele Autos, man muss beim Überqueren vorsichtig sein.“ Gemeinsam mit der AWO-Unternehmensbetriebsratsvorsitzenden Angelika Schwarz leitet sie das Seminar „Wir leben Demokratie und zeigen Haltung“. AWO-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter dürfen teilnehmen und lernen, wie sie auf rassistische Stammtischparolen reagieren können. In einem Praxistest können sie dabei auch ihre eigenen Vorurteile kennenlernen.

Viele Vorurteile sind gar nicht negativ gemeint: „Brasilianern liegt der Rhythmus im Blut.“ Mit dieser Behauptung soll etwas Positives ausgedrückt werden, und dennoch handelt es sich um eine Verallgemeinerung, also um ein Vorurteil.
Die meisten Vorurteile dienen dazu, das „Wir“ gegenüber dem „Die“ zu stärken. Ungleiche Machtverhältnisse zwischen einer Mehrheit und einer Minderheit sollen aufrecht erhalten bleiben. Wer Vorurteile fällt, wertet sich auf und die anderen ab.

Besonders oft wird dafür das sogenannte Parolenhopping eingesetzt, bei dem sich mehrere Personen mit unterschiedlichen Stammtischparolen gegenseitig hochschaukeln. Zwei der insgesamt zehn Seminarteilnehmer dürfen das einmal ausprobieren, zwei andere versuchen, dagegenzuhalten.

„Die Flüchtlinge nehmen uns unsere Arbeit weg!“ – „Und zahlen nicht mal Miete!“ – „Und grapschen unsere Frauen an!“ Es geht Schlag auf Schlag, die beiden Männer sind sich einig und strahlen durch ihre selbstbewusste Körperhaltung die Überzeugung aus, sie würden die Auffassung einer großen Mehrheit vertreten. Zwei andere Mitarbeiter, ein Mann und eine Frau, halten dagegen und wenden das im Seminar Gelernte an: „Wen meinen Sie denn genau, kennen Sie persönlich einen Flüchtling, der eine einheimische Frau angefasst hat?“ – „Oder sind Sie nur neidisch? Möchten Sie auch mal anfassen?“ Damit folgen der Mann und die Frau einigen Empfehlungen des Seminars und bringen die beiden Provokateure sichtlich aus dem Konzept.

Gegen Ende der Veranstaltung zeigt Kristin Harney ein Foto von einem jungen Mann mit bunter Punkerfrisur und Piercings im Gesicht und lässt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer raten, welchen Beruf er haben könnte. Die Teilnehmer haben inzwischen gelernt, sich nicht von Äußerlichkeiten lenken zu lassen, und vermuten: „Bänker!“ – „Versicherungskaufmann?“ – „Vielleicht Arzt …“. Das Seminar zeigt Wirkung.

2018 werden noch 4 Seminare angeboten:
10.01.2018 von 9 bis 16 Uhr AWO-Bezirksgeschäftsstelle
09.04.2018 von 14 bis 17:30 Uhr Zentrum für demokratische Bildung in Wolfsburg
13.06.2018 von 9 bis 13:30 Uhr AWO-Psychiatriezentrum Königslutter
06.09.2018 von 9 bis 16 Uhr AWO-Einrichtung Wolfenbüttel

Anmeldung: Ildikó Futaky futaky@awo-bs.de