629 Überlebende an Bord zwischen Malta und Italien

Für ein solidarisches Asylsystem in der EU!

Berlin, den 11.06.2018.

Ein Boot mit mehr als 600 Flüchtlingen wartet zwischen Malta und Sizilien. Weder Malta noch Italien wollen die Menschen aufnehmen.

Brigitte Döcker, Mitglied des AWO Bundesvorstandes, erklärt: „Die Situation verdeutlicht in dramatischer Weise die Situation des Europäischen Asylsystems. Die Mitgliedsstaaten verhandeln seit 2016 und nun stehen wir vor einer solchen Situation. Wir appellieren dringend an die beteiligten Organe in Brüssel, eine entsprechende solidarische Lösung für solche Rettungsaktionen vorzusehen, die den mediterranen Staaten echte Unterstützung bei der Aufnahme und den Migranten echte Hilfe bietet.“

Die AWO sieht den Fortbestand des individuellen Asylrechts in der EU in akuter Gefahr. Reformvorschläge sehen vor, dass der Flüchtlingsschutz verstärkt auf Drittstaaten verlagert werden soll. Hierfür soll das Konzept der sogenannten sicheren Drittstaaten ausgeweitet werden. Das hat zur Folge, dass die Mitgliedstaaten an den EU Außengrenzen die betroffenen Asylbewerber ohne inhaltliche Prüfung der Asylgründe in Drittstaaten außerhalb der EU zurückweisen wollen.

Brigitte Döcker dazu: „Die AWO fordert, die geltenden völkerrechtlichen, menschenrechtlichen und europarechtlichen Standards zu erhalten. Eine Reform darf nicht zu einer Auslagerung des Flüchtlingsschutzes in die ohnehin schon überbelasteten Krisen‐ und Transitstaaten führen.“

Die Seenotrettungsorganisation SOS MEDITERRANEE erklärte, auf ihrem Schiff Aquarius seien 400 Passagiere, die von der italienischen Marine, der Küstenwache und privaten Frachtschiffen gerettet worden seien. Sie selbst habe 229 Migranten von schiffbrüchigen Booten auf See geholt. Unter den 629 Menschen seien 123 unbegleitete Minderjährige, elf begleitete Kinder und sieben Schwangere. Italiens Innenminister weigerte sich, die etwas mehr als 600 Menschen aufzunehmen. Auch Malta sperrt sich.

Nach mehr als 36 Stunden in Warteposition zwischen Italien und Malta hat das humanitäre Rettungsschiff von SOS MEDITERRANEE und Ärzte ohne Grenzen (MSF) in der Nacht von Montag auf Dienstag (12. Juni) von den italienischen Behörden die offizielle Anweisung erhalten, in den Hafen von Valencia, Spanien, zu fahren. Die am Samstag, 09. Juni 2018, vor der Küste Libyens geretteten 629 Menschen sollen dort an Land gehen. Für die Strecke von 760 Seemeilen, umgerechnet mehr als 1.500 Kilometern, wird die Aquarius circa drei Tage benötigen.

Die Aquarius hatte die zuständigen Behörden wiederholt darauf hingewiesen, dass es nicht sicher ist, den langen Weg nach Spanien mit über 600 Menschen an Bord zurückzulegen. Daraufhin werden derzeit mehr als die Hälfte der 629 Geretteten an zwei italienische Schiffe übergeben, die dann gemeinsam mit der Aquarius den Hafen von Valencia ansteuern werden.

SOS MEDITERRANEE hat die Behörden unaufhörlich über die schlechter werdende, sanitäre Situation an Bord aufmerksam gemacht, zudem gingen gestern die Essensvorräte zuneige. Daraufhin wurde Montagabend ein maltesisches Schiff und Dienstagmorgen ein italienisches Marineschiff zur Aquarius geschickt, um die über 600 Menschen mit zusätzlichen Vorräten zu versorgen. Ein Hafen in Italien oder Malta, der in wenigen Stunden erreichbar gewesen wäre, wurde der Aquarius jedoch nicht zur Verfügung gestellt. Die sich vermutlich verschlechternden Wetterbedingungen auf dem Weg nach Spanien werden eine weitere Herausforderung darstellen.

„Obwohl dies weit von einer vernünftigen Lösung für die geretteten Menschen entfernt ist, sind wir erst einmal erleichtert, dass die 629 Männer, Frauen und Kinder an einem sicheren Ort in Spanien von Bord gehen können“, sagte Verena Papke, Geschäftsführerin von SOS MEDITERRANEE Deutschland e.V.
„Wir sind müde und der Einsatz ist noch lange nicht vorbei. Wir müssen mindestens weitere drei Tage fahren, um die Bootsflüchtlinge in einen sicheren Hafen zu bringen. Zugleich fliehen Menschen immer noch aus Libyen und unsere Aquarius kann nicht mehr in der Rettungszone im Mittelmeer sein, wo die Rettungskapazitäten ohnehin völlig unzureichend sind. In den letzten Tagen haben wir gesehen, dass sich Menschen in ganz Europa und sogar Städte und Länder mobilisieren – die Situation im Mittelmeer muss aber auch für die europäischen Staaten ganz oben auf der Agenda stehen. Wieder einmal fordert SOS MEDITERRANEE Europa auf, die Sicherheit und den Schutz von Menschen vor politische Überlegungen zu stellen. Es wird Zeit, dass wir gehört werden“.

In den vergangenen fünf Jahren haben mehr als 600.000 Menschen, die sich in der Hoffnung auf ein besseres Leben überwiegend von Afrika aus auf den Weg nach Europa gemacht hatten, Italien mit Booten erreicht. Tausende kamen bei der Überfahrt ums Leben, etwa weil ihre Boote kenterten. Italienische Politiker hatten wiederholt kritisiert, das Land werde von seinen EU-Partnern nicht ausreichend unterstützt.

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