Das Projekt „Kalte Füße“ entstand aus zwei Erfahrungen, die es in sich hatten:

Im Sommer 2016 besuchte Melanie Jung eine Kindertagesstätte in Kirn und befand sich im Gespräch mit einer Erzieherin, als ein Kindergartenkind zu ihr kam und darum bat, sie möge ihm die Schuhe zubinden. Die Erzieherin setzte sich zu dem kleinen Mädchen und band die Schuhe. Dabei löste sich die Sohle komplett vom Schuhteil ab und der Fuß schaute heraus. Das Mädchen begann zu weinen. „Ich kann Dir leider nicht helfen“ sagte die Erzieherin, „Deine Mama hat keine anderen Schuhe hier gelassen und wir haben keine Schuhe im Kindergarten, die Dir passen. Warte, wir kleben die Schuhe mit Klebeband zu, das wird erst einmal halten“. Erschrocken beobachtete Melanie Jung die Situation und fragte die Erzieherin, nachdem das Mädchen den Raum verlassen hatte, ob so etwas öfters vorkomme. „Wir sehen tagtäglich, dass Kinder entweder kaputte Schuhe tragen oder die Schuhe längst zu klein sind. Viele Eltern – vor allem aus dem sozial schwächeren Bereich – legen keinen gesteigerten Wert auf ordentliches Schuhwerk“.

Etwas schockiert verließ sie den Kindergarten, vergaß aber im anschließenden Terminstress, was sie erlebt hatte.

Kurz vor Weihnachten 2016 traf sie eine andere Erzieherin aus einer anderen Kindertagesstätte in Kirn und wünschte ihr ein frohes Weihnachtsfest. Die Erzieherin berichtete, dass sie auf dem Weg sei, Lebensmittel für Kindergartenkinder zu besorgen. Schockiert Melanie Jung, dass es einige Kinder gibt, deren Eltern das Weihnachtsfest nicht mit ihren Kindern feiern, weil sie dazu kein Geld hätten. Auch sei immer wieder zu beklagen, dass die Kinder keine Winterkleidung tragen. Vor allem bei den Schuhen hätten die Kinder schwer Not zu leiden. Die Schuhe seien nicht der Witterung angepasst (dünne Turnschuhe bei hohen Minus-Temperaturen, Gummistiefel ohne Fütterung oder Einziehsocken) oder die Schuhe passten nicht mehr. Kopfschütteln eilte die Vorsitzende zu ihrem nächsten Termin.

Zu Weihnachten 2016 verschenkte Melanie selbst gestrickte Socken an liebe Freunde. Bei jedem Paar blieb aus den Knäul Sockenwolle eine Menge über und so stand die Überlegung im Raum, was damit wohl anzufangen sei. Da fielen die Erlebnisse und Geschichten aus den Kindertagesstätten ein und das Projekt „Kalte Füße“ nahm seinen Lauf.

Am 14.02.2017 fiel der Startschuss zum Projekt und zum Auftakt trafen sich über 25 Frauen in der Begegnungsstätte, um gemeinsam Kinderstrümpfe zu stricken. Alle Kindertagesstätten in Kirn gaben einen Überblick über die Größenverteilung und so machten sich viele fleißige Hände an die Arbeit um 400 Paar Kinderstrümpfe zu stricken. Wollspenden, Geldspenden, Schuhspenden fanden so den Weg zur AWO. Seitens der Kindertagesstätten wurde das Projekt sehr begrüßt. Sogar der Wunsch nach Handschuhen, Schals und Mützen wurde geäußert.

Mag sein, dass nicht jeder für dieses Projekt Verständnis aufbringt, denn schließlich sollten die Eltern der Kinder in der heutigen Zeit Geld genug übrig haben, ihre Kinder ausreichend einzukleiden. Mag sein, dass die hierzu vorgesehenen Euros in anderen dunklen Löchern verschwinden und nicht entsprechend verwendet werden. Aber Notleidend unter dem Verhalten der Eltern – verschuldet oder unverschuldet – bleiben immer die Kinder. Und wenn wir diese Not etwas lindern können, haben wir viel erreicht.

Ganz nebenbei führt das Projekt wieder einmal Gleichgesinnte mit dem gleichen Hobby aus allen Himmelsrichtungen zusammen an einen Tisch. In der Begegnungsstätte trifft sich nun alle zwei Wochen eine Gruppe von Frauen, die sich darauf freuen, gemeinsam ein Projekt zu verfolgen. Hierbei wird nicht nur gestrickt, sondern sich auch gesellig unterhalten und Kaffee getrunken. Ein paar leckere Kuchenstücke oder Gebäck finden jeweils auch ihre Abnehmer.

Natürlich freut sich die Gruppe immer über neue Mitstreiter, die das Projekt gerne unterstützen. Auch Neulinge im „Sockenstricken“ sind jederzeit herzlich willkommen und werden in diesem Kreis sicher ihr erstes Paar selbst gestrickter Socken vollenden.

Ende September 2017 werden wir wohl die Kindertagesstätten mit jeweils einem „Sockenkorb“ beglücken können. Ein Besuch der fleißigen Strickerinnen direkt in den Einrichtungen bei den Kindern führt die Generationen zusammen. Auch haben die Kinder die Gruppe bei ihrer Arbeit besucht.

Es gibt unter den Akteuren auch bereits Pläne, was man nach den „Socken“ wohl stricken könne. Nach „Kalten Füßen“, „Kalten Ohren“ und „Kalten Fingern“ werden wir uns wohl mal den armen Puppenkindern in den Kindertagesstätten widmen und warme Puppenkleidung stricken. Sicher gehen uns die Ideen nicht aus…