„Horch, was kommt von draußen rein“ – wer an diesem Morgen über den Flur im Neuwieder AWO-Seniorenzentrum ging und seine Ohren spitzte, konnte glauben, in einem der Räume probe ein Orchester. Und ganz so falsch lag er mit dieser Vermutung nicht. Doch es war ein ganz besonderes Orchester: rund 15 Seniorinnen und Senioren saßen in der Runde und machten mit Hilfe ungewöhnlicher Instrumente tatsächlich Musik.
Andreas Nilges (Pädagoge und Leiter „Circle Drum Events“, Nauort), der die Gruppe leitete, erwies sich als ein wahrer Meister der Motivation; im Handumdrehen konnte er mit den einfachsten Mitteln die Gruppe fürs musizieren begeistern. Zunächst verteilte er bunte Eier, die beim Schütteln leise rasselten, kleine Klangschalen, die beim Anschlagen zauberhafte Töne von sich gaben, und letztendlich kamen noch Trommeln in unterschiedlichen Größen und helltönende Schellen dazu. Er selbst gab mit dem Saxophon den Ton und den Rhythmus an.
„Muss i denn zum Städtele hinaus“ oder „Die Tiroler sind lustig“ – natürlich kannten die mitwirkenden Seniorinnen und Senioren die Melodie, und nicht nur die: die meisten konnten sogar mehrere Strophen mitsingen. Andreas Nilges sparte nicht mit Applaus und meinte gut gelaunt: „Beim nächsten Mal musizieren wir in der Neuwieder Fußgängerzone und bessern damit unsere Rente auf“.
Inzwischen waren auch diejenigen Bewohnerinnen und Bewohner in Schwung gekommen, die sich zunächst noch zögernd zurückgehalten hatten, und schlugen immer kräftiger auf die Trommeln. Das schien für den Musiklehrer der richtige Zeitpunkt zu sein, von den Volksliedern in die Welt der Schlager umzusteigen. Kein Problem, auch wenn sich dabei die Rhythmen immer wieder änderten. Ob Rumba, Walzer oder Cha, Cha, Cha – die „Oldies sangen und spielten die Oldies“ gerne mit.
„Sie haben ja alle Musik im Blut“, lobte Nilges und erzählte eine „wahre“ Geschichte: „Neulich war ich in einem Altenheim, da waren die Bewohner nach dem Musizieren so lustig, dass sie beim Weggehen glatt ihre Rollatoren vergessen haben“. Im Nu war eine gute Stunde verflogen und man konnte man spüren, dass die Seniorinnen und Senioren auch noch gerne weitergespielt hätten.
Beim Musizieren im Neuwieder Seniorenzentrum geht es freilich nicht nur um Unterhaltung und Vergnügen, sondern auch darum, die Bewohnerinnen und Bewohner zum aktiven Mitmachen zu animieren. Musik ist bekanntlich die Sprache, die jedermann versteht – auch ohne Worte. Beim gemeinsamen Singen und Spielen werden zudem Erinnerungen geweckt, die oft verschüttet wurden. Wobei es erstaunlich ist, dass die betagten Menschen die Texte vieler Lieder noch ausgesprochen gut im Gedächtnis haben.
Zugleich wird aber auch die Feinmotorik der Hände und Finger bei den Bewegungsabläufen gefördert – Bewegungen, die im alltäglichen Leben weitgehend vernachlässigt werden. Nicht zuletzt stärkt das gemeinsame Musizieren auch das Zusammengehörigkeitsgefühl. Dabei erweist sich Andreas Nilges nicht nur als exzellenter Musikpädagoge, sondern auch als einfühlsamer Therapeut.