Die heute anerkannten Wohlfahrtsverbände gehören zu den größten Arbeitgebenden in Deutschland
Mit rd. 125.000 Einrichtungen und Diensten und ca. 2 Millionen Mitarbeitenden sind sie (Wohlfahrt) für rund 6 bis 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verantwortlich.1 Beeindruckende Zahlen, wenn man die Ursprünge der modernen Wohlfahrtsverbände betrachtet. Sie haben sich als Reaktion auf gesellschaftliche und politische Spannungen und Ungerechtigkeiten gegründet, um Menschen in existenziellen Notlagen Unterstützung zuteilwerden zu lassen.
Mit Blick auf die Entstehungsgeschichten stellt sich die Frage nach der Bedeutung von moderner Wohlfahrt(spflege) mit umso größerer Dringlichkeit. Denn ohne Zweifel nehmen die sozialen Ungleichheiten in Deutschland immer weiter zu, das bestätigt auch der jüngste Schattenbericht der Nationalen Armutskonferenz.2 So sind z. B. 5,7 Millionen Menschen im Land „von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen“.3 Auch die Bedarfe von Kindern und Jugendlichen werden immer vielfältiger. Dies zeigt nicht zuletzt die Verdoppelung der Ausgaben für Kinder- und Jugendhilfe seit 2009 auf mittlerweile 71,9 Milliarden Euro pro Jahr,4 was zu einem erheblichen Zuwachs an Personal und wirtschaftlicher Stärke führte.
Doch die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege stehen in vielen Bereichen an einem Wendepunkt. Die Kostensteigerungen sind mehr denn je in der gesellschaftlichen Debatte. Migrant*innen werden gegen Menschen mit Behinderungen ausgespielt, von Armut betroffenen Menschen wird Faulheit unterstellt, während gleichzeitig die Not in Pflegeeinrichtungen immer stärker wächst. Diese Polarisierung und Diskriminierung von Menschen verdeckt die eigentliche Frage: Wie kann ein moderner inklusiver Sozialstaat aussehen, der (wirtschaftliche) Krisen gut meistern und überleben kann?
Ohne Zweifel befindet sich das Gesamtsystem sozialer Unterstützungsleistungen in einer Transformationsphase. Bewährtes wird auf den Prüfstand gestellt, ohne dass klar ist, wie das Ergebnis dieser Veränderung aussehen wird. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege befinden sich in einem Dilemma um die Frage nach ihrer Existenzberechtigung. Die Ökonomisierung großer Teile der sozialen und pflegerischen Arbeit in den letzten dreißig Jahren hat die Landschaft der Dienste und Einrichtungen so verändert, dass sich Wohlfahrtsverbände die Gretchenfrage stellen müssen: Für wen treten wir ein? Für die Trägerinteressen oder die Interessen derjenigen, die auf Hilfe, Unterstützung und Begleitung angewiesen sind? Idealerweise geht beides Hand in Hand.
Die Wohlfahrtsverbände gehen im Zusammenschluss mit LIGA und BAGFW5 mit der Politik in den Austausch, um mit starker Stimme beide Interessen zu vertreten. Die Teilnahme am Parlamentarischen Abend am 29.01. in Mainz ist ein gutes Beispiel für diesen Verbund. AWO Vorständin Michaela Naunheim führte mit Daniel Kieslinger, Geschäftsführer der LIGA, und den Parlamentarier*innen Gespräche zu den zentralen Botschaften.
Festzuhalten gilt: Wohlfahrt heute bedeutet, gerade in der Vielfältigkeit der unterschiedlichen Verbände geschlossen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie einzustehen.

Titelbild – Fotograf: Ben Pakalski
Quellen:
1 Vgl. BAGFW-Gesamtstatistik (Statistik 2020, www.bagfw.de/veroeffentlichungen/statistik)
2 www.nationale-armutskonferenz.de/wp-content/uploads/Schattenbericht-2025.pdf
3 Schattenbericht: Armut in Deutschland (2025), S. 6.
4 www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Kinderhilfe-Jugendhilfe/_inhalt.html
5 Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege