Blog der AWO Rheinland

Das Kita-Platz-Dilemma

Trotz Rechtsanspruch müssen viele Eltern ohne Betreuung auskommen

Im Gesetz liest es sich ganz wunderbar: Eltern von Kindern zwischen einem Jahr und dem Schulbeginn steht in Rheinland-Pfalz gesetzlich ein Kita-Platz für ihren Nachwuchs zu. Im echten Leben sieht es leider anders aus. Laut der Bertelsmann-Stiftung fehlen im Bundesland mehr als 26 000* Kita-Plätze. Auch die Familie von Tobias Zejewski, stellvertretender Präsident der AWO Rheinland und Vater von zwei Kindern, ging zunächst leer aus. „Das rheinland-pfälzische Kita-Gesetz klingt super. Mit dem Anspruch auf sieben Betreuungsstunden am Stück und der Beitragsfreiheit ab dem zweiten Jahr ist es deutlich konkreter und bedarfsgerechter als das Gesetz
auf Bundesebene. Aber die Umsetzung ist ernüchternd. Auch bei uns hagelte es Absagen und wir standen ohne Betreuung da“, erinnert er sich. Was half, war ein konsequentes Dranbleiben und endlose Telefonate und Vorstellungen bei den zuständigen Behörden. „Viele Familien sind geneigt selbständig Überbrückungsalternativen zu finden und nehmen die Behörden aus der Pflicht. Das halte ich für nicht zielführend. Als Eltern müssen wir laut werden und einfordern, was uns zusteht“, appelliert er. Sein Rat: „Geht den Behörden auf den Geist. Telefoniert mit dem zuständigen Jugendamt, dem/der Bürgermeister*in den Zuständigen beim Landkreis oder der Stadt und der Gemeinde. Macht euren Fall aktenkundig und sorgt dafür, dass solche Missstände auf die Agenda kommen!“

Welche Entfernung zur Kita ist zumutbar? 
Viele Eltern haben Sorge, dass sie durch ein vehementes Einfordern ihres Rechtsanspruchs in Ungnade fallen und ihr Kind mit einem Kita-Platz in einer weit entfernten Kita abgestraft werden könnte. Im Gesetz ist leider nicht geregelt, welche
Entfernung oder Zeitspanne zwischen Wohnung und Kita zumutbar ist. „Hier hilft es, mit der zuständigen sachbearbeitenden Person schon zu Beginn zu besprechen, welche Entfernung er oder sie für angemessen hält. Wenn möglich, haltet das schriftlich fest, dann kann man im Fall der Fälle später darauf zurückkommen.
Zudem gibt es in der Rechtsprechung viele Beispiele, an denen sich Eltern orientieren können“, so Tobi. So entschied beispielsweise das OVG RLP 2019, dass Anfahrtswege, die länger als 30 Minuten dauern, mit dem öffentlichen Personennahverkehr nicht zumutbar sind.

Was bedeutet Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz?
Der „Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder Kindertagespflege“ bedeutet, dass der Träger der Jugendhilfe dem Kind einen Platz zur Verfügung stellen muss. Die Träger sind in der Regel die Landkreise und die kreisfreien Gemeinden. „Der Betreuungsplatz muss gestellt werden. Mangelnde Kapazitäten sind kein Argument“, erklärt Tobi. Das entschied auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Az. OVG 6 S 2.18 und OVG 6 S 6.18). „Betroffene Eltern können ihr Recht notfalls einklagen. Dieses Wissen sollte jeder im Hinterkopf haben und entsprechend selbstbewusst mit den zuständigen Behörden in den Dialog gehen“, rät er.

Was tun bei einem Ablehnungsbescheid?
Teilt das Jugendamt den Eltern in einem Ablehnungsbescheid mit, dass kein Kita-
Platz in der Kommune frei ist, hat man als Eltern die Möglichkeit innerhalb von
vier Wochen Widerspruch einzulegen. Wenn auch der Widerspruch abgelehnt wird, besteht die Möglichkeit vor dem Verwaltungsgericht Klage zu erheben. Auch Schadensersatzansprüche können geltend gemacht werden, z. B. wenn die Eltern einen Verdienstausfall nachweisen können, weil sie ihrer Berufstätigkeit aufgrund
der ungelösten Betreuung nicht mehr nachgehen können. „Vor dem Gang zum Gericht, rate ich immer zum Dialog und zu versuchen herauszufinden,  das Problem liegt. Dieses dann konkret zu benennen und an der richtigen Stelle zu platzieren, kann helfen, eine positive Entwicklung in Gang zu bringen. Je mehr Eltern unbequem werden, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass sich etwas ändert. Dabei sollten Eltern sich ihrer starken Position bewusst sein“, so Tobi.

Wie finde ich einen Kita-Platz?
Bei der Suche nach einem geeigneten Betreuungsangebot vor Ort unterstützt euch euer jeweiliges Landesministerium mit hilfreichen Informationen. Darüber hinaus stellen einige Bundesländer Übersichten der Angebote zu Kinderbetreuung nach Landkreisen und Bezirken zur Verfügung. Vereinzelt ist auch ein zentrales Anmeldeverfahren möglich.

*Quelle:
https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/kita-monitor-rheinland-pfalz-bertelsmann-100.html#:~:text=Bertelsmann%2DStiftung%3A%20In%20
Rheinland%2D,mehr%20als%2026.000%20Kita%2DPlätze&text=In%20Rheinland%2DPfalz%20fehlen%20nach,Bildungsministerium%20verweist%20
dennoch%20auf%20Fortschritte.

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