Wie ist es für einen Menschen mit Demenz, mit Messer und Gabel zu essen? Welche Probleme hat er beim Anziehen? Wie orientiert er sich im Verkehr? Wie erledigt er seine Hausarbeit? – In das Innenleben eines demenzkranken Menschen können sich Nichtkranke – selbst wenn sie beruflich mit ihnen zu tun haben – nicht hineinversetzen. „Wir sind Experten für Demenzkranke“, erklärt Fred Dreher, Leiter des Seniorenzentrums in Idar, bei der Eröffnung des Demenzparcours der Landeszentrale für Gesundheitsförderung. „Wir wissen, wie sie sich verhalten und wie sie zu behandeln sind. Aber wir wissen nicht, wie sie wahrnehmen.“ Hierzu vermittelte der Demenzparcours einen sehr guten Zugang. Auch wenn etwa bei der Alzheimer-Krankheit, der häufigsten Demenzerkrankung, der Erinnerungsverlust das augenscheinlichste Symptom ist, so sind die Folgen der Erkrankung doch viel tiefgreifender und betreffen die Gesamtheit von Wahrnehmung, Denken und praktischen Fähigkeiten. Der Parcours versucht an 13 Stationen, aufgeteilt in die Bereiche Alltag und Außenwelt anhand von praktischen Übungen zu veranschaulichen, wie sich das Leben für einen Menschen mit Demenz anfühlen kann. Eine Aufgabe ist es zum Beispiel sich mit Handschuhen eine Kittelschürze anzuziehen und dabei gleichzeitig bis 36 zu zählen. Bürgermeister Friedrich Marx, der ebenso wie Martin Schupp, der Vorsitzende des Fördervereins Deutsche Edelsteinstraße, zur Eröffnung des Parcours gekommen war, versuchte sich an dieser Herausforderung. Das Zuknöpfen der Schürze ist mühsam, dauert lange und erfordert höchste Konzentration – da vergisst man dann schon mal das Zählen. So geht es Menschen mit Demenz beim Ausführen von Tätigkeiten, die für Gesunde eine Kleinigkeit sind. Der Tastsinn ist reduziert, die Koordination der Bewegungen ist gestört, die kleinste Ablenkung stört. Die Folge sowohl beim Kranken als auch beim Betreuer: Ungeduld, Hilflosikeit und Aggressivität. Eine weitere Übung ist der Versuch, über einen Spiegel mit Messer und Gabel zu hantieren und verschiedenfarbige Papierkügelchen auf die dafür vorgesehenen Teller zu bugsieren. Spontane Reaktionen der Probanden: „Dann mach´ich das doch lieber mit der Hand.“ oder „Da vergeht einem doch der Hunger.“ Genau so reagieren in der Regel auch Demenzkranke. Sie benutzen beim Essen lieber die Finger, was von Außenstehenden leicht als retadiertes Verhalten angesehen wird. Oder sie verweigern gleich gänzlich die Nahrungsaufnahme. Dabei bleibt dem Nichtkranken oft verborgen, mit welchen psychischen und physischen Qualen für Demenzkranke häufig einfachste Routinehandlungen verbunden sind. „Demenz ist ein Thema, das uns fast alle berührt“,erklärte Marx bei der Begrüßung der Gäste, zu denen auch die Mitglieder des Bewohnerbeirates des Seniorenzentrums gehörten. „Fast jeder hat inzwischen einen Familienanghörigen, Verwandten, Freund oder Bekannten, der davon betroffen ist.“ (Text von Jörg Staiber veröffentlicht in Nahezeitung vom 9.März 2019)
Die Aktionen rund um den Demenzparcours wurden geplant im Rahmen der Aktivitäten zum diesjährigen 60 jährigen Bestehen des AWO Seniorenzentrums Idar-Oberstein. Der Demenzsparcours stieß auf sehr großes Interesse. Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter, Auszubildende und FSJler probierten aus. Die Krankenpflegeschule, die Berufsfachschule für Gesundheit und Pflege und die Grundschule Idar, mit denen das Seniorenzentrum zusammenarbeitet, schickten ihre Klassen. Angehörige und Freunde von Menschen mit Demenz meldeten sich an. Die Rückmeldungen waren sehr positiv: Der Demenzparcours ist ein phantastisches Lerninstrument, um Verhalten und Gefühle von Menschen mit Demenz besser verstehen zu können. Man begreift, wie Alltagssituationen und Handlungen besser gestaltet sein müssen. An oberster Stelle stehen Ruhe, maximale Störungsfreiheit, viel Geduld, viel Zeit und viel Empathie.
Der Demenzparcours kann an interessierte Einrichtungen ausgeliehen werden von der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. mit Sitz in 55131 Mainz, Höderlinstarße 8, Telefon 06131-206950, www.lzg-rlp.de. Ansprechpartnerin ist Kirsten Dieter (kdieter@lzg-rlp.de).